singBach
singBach entstand 2010 als Musikvermittlungs-Projekt bei der Internationalen Bachakademie Stuttgart. Ausgehend von der Frage, wie man Bachs Musik für heutige Kinder zugänglich machen kann, entstand die Idee, die allbekannten Instrumental-Hits zB aus dem Notenbüchlein mit Texten zu versehen und modern zu arrangieren. Sodann sollte in einem Prozess über mehrere Monate bisher von klassischem Gesang unberührte Grundschüler und Lehrerinnen professionell gecoacht werden, um mit den Kindern einige Hits, aber auch anspruchsvollere Arien, Reziative und Motive aus Chören zu studieren. Am Ende sollten je Konzert 230 bis 300 Schüler zusammen singen, in einem großen Konzertsaal und begleitet von einem professionellen Ensemble.
Konzeption: Christian Zech - Texte: Harald Schiller (Hamburg) Arrangements: Prof. Tilmann Jäger (München) - Dozenten: Philipp Schulz, Julia Schwarz, Thomas Uptmoor u.a.
Das Angebot richtet sich an Grundschulkinder aus einer jeweiligen Region (im Klassenverband), die bisher wenig oder gar nicht gesungen haben, mitsamt ihrer Lehrer und Lehrerinnen, die möglichst ebenso "unerfahren" in Sachen Gesang sein sollten, dies jedoch lernen wollen. Das Projekt soll Kindern und LehrerInen Gelegenheit geben, Musik und Gesang für sich zu entdecken. Anhand sehr guter Musik und Texte, einer professionellen Vermittlungsarbeit und eines festlichen Abschlusses sollen die Teilnehmer für sich entscheiden können, ob sie den Weg weiter gehen wollen und werden ggf. dabei unterstützt.
Der Projektverlauf kompakt: Erarbeitung von textierten Instrumentalhits und vereinfachten Arrangements von Sätzen aus den großen Oratorien J.S. Bachs mit professionellen Arrangeuren und Textdichtern. Vorproben mit Lehrern zum Lernen des reinen Notentextes. Zwei ganztägige Workshops für LehrerInnen zum Erlernen von Stimmbildung mit Kindern und speziellen didaktischen Tricks bezüglich der einzelnen Lieder unter Anleitung von fortgeschrittenen Musikstudenten. Umfangreiches Arbeitsmaterial auf Papier, sowie Sound-Dateien zum Hören und Üben allein oder in der Klasse, auch Begleitungen ohne Gesang, jedoch nur mit Klavier. Coaching und Hilfe vor Ort in den Schulen während der gesamten Projektlaufzeit auf Anforderung der LehrerInnen. Besuche der Dirigentin in den Klassen kurz vor den Konzerten, ausgedehnte Proben vor den Konzerten in verschiedenen guten Sälen. Konzerte im Konzertsaal der Musikhochschule, einem der akustisch besten Säle Stuttgarts mit jeweils ca. 100 KIndern. Zukünftig Einbindung von Kindermoderatoren als zusätzliches Element zur Bereicherung des Konzertes.
Das Publikum setzt sich in erster Linie aus den Eltern der jeweils vortragenden Kindern zusammen. Es gibt aber auch zunehmend Laufkundschaft, die aus dem Kreis der alten "Rilling/Bach-Fans" der Bachakademie zu den Veranstaltungen kommen, da hier sie hier ihre geliebte Bach-Musik in fröhlich-quirlig-lebendigem Umfeld erleben können, was ihnen bei den "normalen" Konzerten fehlt. Auch Fachpublikum kommt gezielt zu den Veranstaltungen um die Ergebnisse zu würdigen und sich mit den Beteiligten über Erfahrungen bezüglich Stimmbildung und Singen mit Kindern, sowie über das neue Repertoire auszutauschen. Viele KinderchorleiterInnen bemühen sich intensiv darum, das Material auch für ihre Kinder zu bekommen.
Projektbeteiligte sind 500 Grundschulkinder, 25 bis 30 LehrerInnen, zwei Studenten, Arrangeur, drei weitere Musiker, Dirigentin, Moderator/Organisator, Assistent
Bisher singen die Kinder jeweils ein Konzert im Rahmen der Bachwoche im Konzertsaal der Musikhochschule. Bei jeweils maximal 150 Kindern auf der Bühne waren dies 2012 vier Konzerte, eines davon erstmals in einem Seniorenheim. Zukünftig soll es mehr Konzerte, zB in Altenheimen, Schulen der Region, Kirchen etc. geben, ggf. auch eine kleine Tournee in die nähere Umgebung.
Mehrere Monate Konzeption, Texterstellung, Arrangement, Notenproduktion, Produktion der Übungs-Beispiele auf CD. Vorproben vier Monate und Tages-Workshops zwei Monate vor Konzert. Proben in den Klassen durch die LehrerInnen, nach Bedarf unterstützt durch Schulbesuche der Coachs. Generalprobe und Konzert an zwei aufeinander folgenden Tagen. Die Konzerte bildeten das Finale der jährlich stattfindenden Bachwoche der Internationalen Bachakademie Stuttgart, bei der jeweils ein großes Werk Bachs studiert wurde, mit Meisterkursen, Symposien und Diskussionsrunden, einem Studentenorchester und -Chor und abschließenden Gesprächskonzerten. singBach bezog sich auf das jeweilig Werk.
Das Projekt ist bestens geeignet, Schlüsselerlebnisse mit Musik im allgemeinen und Gesang im Speziellen zu erzeugen. Singen wird in vielen teilnehmenden Schulen im Anschluss an das Projekt wieder regelmäßiger Bestandteil des Unterrichts. Mitunter singen die Kinder spontan und ohne Aufforderung zusammen die Lieder, zB wenn ein bestimmtes Stichwort aus dem Text eines Liedes fällt. Es bilden sich Schulchöre und einige Kinder bitten ihre Eltern, ihnen einen Kinderchor in der Umgebung zu suchen, meist in den örtlichen Kirchengemeinden, wo auch Kinder mit fremden Konfessionen aufgenommen werden. Teilweise entdecken auch die LehrerInnen das Singen neu und es gab sogar Fälle, in denen die Eltern diesen Impuls aufgenommen haben.
Im zweiten Jahr von singBach 2011 waren viele sehr unerfahrene LehrerInnen beteiligt, die mit einigen noch anspruchvoller gestalteten Liedern dauerhaft Probleme hatten. Die studentischen Coachs wurden hier kurzfristig eingeführt, die inzwischen ein fester Bestandteil des Projektes sind und mit denen die Zusammenarbeit noch ausgebaut werden soll, um das Projekt auch für junge Musiker und Pädagogen als Erprobungsmöglichkeit zu erschließen.
Von Anbeginn pflegen wir enge, aktive Kontakte zu den LehrerInnen, d.h. wir nehmen telefonisch oder per Mail explizit Kontakt auf, um etwaigen Problemen und Wünschen, aber auch neuen Ideen und Verbesserungsvorschlägen frühzeitig auf die Spur zu kommen und darauf noch im Verlauf des Projektes eingehen zu können. Die LehrerInnen tragen uns auch Einschätzungen der Kinder und Eltern zu, die oftmals wichtig für weitere Entwicklungen werden. Zudem führen wir Evaluationen anhand von Fragebögen vor und nach dem Projekt durch, anhand derer wir verschiedene Annahmen überprüfen. Durch die Angaben der Kinder erhalten wir auch Hinweise auf Themen, Ideen und Wünsche auf die wir Erwachsenen teilweise von allein nicht kämen.
Teilnehmen können 500 Kinder, ca. 1.500 Eltern und sonstige Familienangehörige, einige Hundert weitere Besucher der Konzerte. Die Produktionskosten liegen bei ca. 25.000 €, also 50€ je Kind. Raummieten und Management-Leistung des Leiters sind hier mit als anteilige Kosten kalkuliert, es ist also der "echte" Preis des Projektes.
Es werden keine Teilnahmegebühren erhoben und das Notenmaterial wird verschenkt. Es werden Eintrittskarten zu den Konzerten an Eltern ausgegeben, die bei einem Preis von 5€ die Fahrmöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln einschließen. Da die Besucher aus der Region Stuttgart kommen, stellt dies einen hohen Wert dar und viele Familien nutzen die Gelegenheit für Einkäufe oder weitere Besuche.
Die Reaktionen sind durchweg euphorisch. Nach anfänglicher Ablehnung ("So etwas darf man mit Bachs schöner Musik nicht machen") aus den Reihen der Mitarbeiter und "Fans" der Bachakademie wird das Projekt zunehmend positiv bewertet und als guter Weg angesehen, einen Zugang zu Bachs Musik für junge Menschen zu ermöglichen. Die Energie und Begeisterung der Team-Mitarbeiter ist enorm groß, überträgt sich auf LehrerInnen und Kinder und ist ein großer Kraftquell, der auch positiv in die Öffentlichkeit ausstrahlt.
Friedhilde Trüün war bei den ersten Projekten als Dirigentin beteiligt und betreibt das Projekt bundesweit in eigener Regie, jedoch mit deutlich veränderten Vorzeichen (weniger Zeit, Partizipation und Mitnahme von Lehrern und anderen Mitarbeitern). Dies befürworten wir ausdrücklich, wollen selbst aber einen anderen Weg gehen, der nachhaltiger ist, sich weniger auf bestimmte Leitungs-Personen fokussiert, sondern auf die Sache und ein Team. Letztlich ist es auch eine künstlerische Entscheidung, im Interesse einer Nachhaltigkeit bei Texten und Arrangements keine Mühen und Finanzen zu scheuen. Denn aus unserer Sicht brauchen die Kinder kein weiteres "Show-Projekt", sondern höchste Qualität und beste Bedingungen um ein wirkliches Schlüsselerlebnis empfinden zu können, das ihnen im Idealfall einen Weg zu einer dauerhaften, eigenen musischen Betätigung eröffnet.